von Albert Hausenstein / Hans Gelsok (Hrsg.)
Steht man in tiefen Gedanken vor dem im Badischen Landesmuseum verwahrten Ausschnitt aus den Wandmalereien eines römischen Gutshofs zu Wössingen, der uns ein durch seine Naturtreue und Frische der künstlerischen Wiedergabe überraschendes Stillleben, ein gebratenes Huhn von aufreizender Knusprigkeit vorführt, dargestellt in der breiten, impressionistischen Malweise der späten Antike, wie sie uns aus den pompejanischen Gemälden bekannt ist, so kommt man ganz von selbst zu der Überzeugung, dass die Römer während der ungefähr dreihundert Jahre, die sie als Eroberer und Kolonisatoren im Badnerland gehaust hatten, in den von ihnen geschaffenen Denkmälern, Skulpturen, Wandgemälden, Schmuckstücken und den zahlreichen Gebrauchsgeräten aus Bronze, Eisen, Glas und Ton mitunter sogar treffliche Arbeiten hinterlassen haben. Berücksichtig man ferner, dass diese Schöpfungen nur für eine Grenzprovinz des römischen Imperiums, für die Agri decumates >>>, das Zehntland, bestimmt waren, dann steigt unsere Achtung vor den damaligen Künstlern um ein Beträchtliches.
Schon Drusus (um 10 v. Chr.) besetzte Teile des heutigen Baden, vor allem Streifen zwischen Rhein und Schwarzwald, bzw. dem Kraichgauer Hügelland und versah die Landschaft mit Straßen und Kanälen. Tiberius (um 11 n. Chr.), Lucius Domitius Ahenobarbus (37 n. Chr.) und Marcus Vinicius (30 n. Chr.) führten das von Drusus begonnene Werk fort. Seitdem bilden die Agri decumates ein wichtiges Vorland des Römerreichs, eine Art Militärgrenzland, gegen die damals noch unbezwungenen germanischen Stämme. Hier nun verbrachten zahlreiche altershalber verabschiedete Offiziere, Militärbeamte und auch Mannschaften, die so genannten veterani >>>, ihren Lebensabend, erfreuten sich der Thermen zu Aquae Aureliae (Baden-Baden) und anderswo und führten mehr oder weniger ein Dasein cum otio et dignitate, also ein beschauliches Leben mit hohem Ansehen. Außer diesen römischen Veteranen wurden aber auch gallische Ansiedler nach den Agri decumates verpflanzt, welche ihren Pachtzehnten (Agri decumates) zu entrichten hatten, nach welchem das Land seinen Namen erhielt. Auch sie haben mancherlei Spuren, besonders auf kultischem Gebiet, hinterlassen.
Als eine der ältesten Römerstraßen in der Gegend von Karlsruhe gilt jene Querstraße, die Gallien mit den Ostprovinzen des Reichs verband und die von Mainz über Heidelberg bis Oos geführte wichtige zweite Heerstraße geschnitten hat. Diese Querstraße kam aus der Gegend von Au am Rhein und verlief, durch Dammreste nachweisbar, über Busenbach, Reichenbach, Langensteinbach und Ellmendingen nach Pforzheim. Angelegt wurde diese für die Frühgeschichte unserer Heimat so ungemein bedeutungsvolle Straße „… bald nachdem der Legat Cn. Cornelius Clemens um das Jahr 74 n. Chr. seinen Vormarsch auf Argentoratum (Straßburg) durchs Kinzigtal nach Area Flaviae (Rottweil) angetreten und damit die Okkupation des rheinischen Gebiets in die Wege geleitet hat …“ (Fabricius, Die Besitznahme durch die Römer, 1905, S. 36 ff). Bis unter der Herrschaft des Honorius zu Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. die Alemannen auf allen Punkten die Befestigungslinie überrannten, das ganze Zehntland überschwemmten und es den Römern entrissen, mussten etwa 300 Jahre vergehen, während welcher Zeit sich die Römer in unserer Gegend immer mehr zu Hause fühlten. Das beweisen wohl am besten die Ergebnisse der Ausgrabungen. Zahlreiche Funde solcher römischer „Souvenirs“, seien es nun Straßen, Wohngebäude, Landhäuser, Badeanlagen mit Standbildern, Mosaikfußböden, Heizungsvorrichtungen, Gebrauchs- und Luxusgegenstände, welche in den verschiedenen Ortschaften rings um Karlsruhe gemacht wurden, zeugen von der Herrlichkeit dieser frühen Kultur. Auf dem Killisfeld bei Aue (Amt Durlach) fand man 1856 eine Münze des Kaisers Antonius Pius (138 – 161). In der Pfinzniederung, am Ostrand von Berghausen, wurden 1926/27 beim Lehmstechen fünf Römergräber frei gelegt und untersucht. Nach den Grabbeigaben (Sigillaten3 etc.) stammen diese aus der Wende des 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. Am Fußweg von Blankenloch nach Büchig stieß man 1897 auf Reste eines römischen Kalkofens >>> mit Leisten und Hohlziegeln, Tongefäßscherben und Nägeln.
Anderthalb Kilometer östlich der Römerstraße Mühlburg – Graben, am „Bürgelbrunnen“ im Hardtwald, entdeckte man beim Ausroden des Waldes „rotes Porzellan“ (Sigillaten) und etliche römische Münzen, wie sich solche auch auf Bulacher Gemarkung, bei Forchheim, Hohenwettersbach, im Wolfartsweierer „Schatzwäldle“ und an vielen anderen Orten vorgefunden haben. Sehr interessant ist der 1880 im „Faulbruch“ bei Daxlanden zutage geförderte römische Votivstein, der dem Gott Jupiter von Publius Veratiuts Florus geweiht worden war. Überreste aus den Tagen der Römerherrschaft traten an verschiedenen Stellen der Gemarkung Durlach ans Licht, so z. B. in den „Götzenstückern“ ein Gebäude, auf den „Storenäckern“ Tonscherben, desgleichen ein Römerbau nördlich der Dampfziegelei zwischen Durlach und Grötzingen und ebenso das Grabmal eines hundertjährigen Veteranen. Von der Burgruine auf dem Turmberg stammt ein Isisfigürchen aus Bronze, gefunden im romanischen Mörtel. Zusammen mit dem 1942 in Ettlingen aufgestöberten Kopf des persischen Lichtgottes Mithras, wo übrigens auf dem Holzhof 1926 ein eigenartiges Mauergewölbe mit merkwürdigem Inhalt aufgedeckt wurde (u. a. die Statue einer sitzenden Gottheit mit einer Eule, wohl die Minerva darstellend), sind diese beiden zuletzt genannten Funde. Beweise für die schon damals im Römerreich allenthalben verbreitet gewesenen orientalischen Kulte. Die kostbarsten und feinsten Stücke aus der langen Reihe der Ettlinger Römerfunde jedoch entstammen der Fundstelle im Hardtwald bei St. Johann (Gemeinde Mörsch), eine Stunde westlich von Ettlingen. In der Hauptsache handelt es sich um Kleingegenstände wie Urnen, Töpfe, Schälchen, Metallspiegelchen, ein tadellos erhaltenes Saugkännchen, das gewissermaßen römische Gegenstück zum heutigen Lutscher, usw. Und schließlich: Wem wäre wohl der Ettlinger Neptun unbekannt, jenes Geschenk des Cornelius Aliquandus an die dortige Schiffergilde? Zweifellos war Ettlingen schon zur Römerzeit ein sehr wichtiger Platz, an dem alle Römerstraßen zwischen Murg und Pfinz zusammenliefen. Bemerkt sei noch, dass mit der hier aufgefundenen Bronzemünze des Magnentius (350 – 353) eine der spätesten Datierungen der Römerherrschaft in unseren Landen gegeben ist. Auch die Gegend von Graben war römisch besiedelt; zwei entsprechende Fundstätten in den „Burglichäckern“ und in den „Kreuzwiesen“, wie auch eine solche Wohnstelle zwischen Linkenheim und Graben sprachen dafür. Ein altrömisches Badegebäude mit Badebecken und Hypokaustenanlagen >>> wurde westlich von Grötzingen, am „Stahlbuhl“, ausgegraben. Ein römerzeitliches Dorf bestand in Grünwinkel, in dessen Nähe man schon früher in der Alb eine Sandsteinstatue der Diana Abnoba, der römischen Schwarzwaldgottheit, aufgefunden hatte. Brandgräber aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, drei römische Ziegelöfen, ein Kellergelass mit einem Merkurtorso, ein der Diana geweihter Steinaltar und ein Weiherelief mit einem sitzenden Götterpaar wurden 1925 dem Licht des Tages zurückgegeben. Überbleibsel von kleineren römischen Gebäuden sind uns im Gewann „Straßenäcker“ auch in Hochstetten bekannt, während von dem Altertumsforscher Bonnet solche auch in den „Stein- und Schelmenäckern“ im Gewann „Wasserland“ bei Jöhlingen festgestellt werden konnten. Ein römischer Steinsarkophag, so wird erzählt, soll daselbst als Brunnentrog benutzt werden. Die Steine einer so genannten „Jupitersäule“ fand man beim Abbruch der alten Kirche zu Kleinsteinbach, das auch das Bildnis der Göttin Fortuna beigesteuert hat. Geradezu berühmt aber ist der teilweise der frühvespianischen Zeit (um 70 n. Chr.) angehörende römische Friedhof westlich Knielingen, der 1927 überraschend reiche Ausbeute an Grabungsbeigaben, u. a. schöne Scharnierfibeln aus der Frühzeit der Besetzung des Dekumantenlandes, wie man eine ähnliche auch von Muggensturm kennt, ferner kantige Glasflaschen geliefert hat. Über die Stelle aber, wo die hier Bestatteten gewohnt haben, ist meines Wissens bisher noch nichts ermittelt. Vielleicht wäre an ein über den Rhein verschobenes Fort zu denken. Der auffallend hohe Mörscher Steintisch, der Viergötterstein, die hier gefundenen Urnen mit Brandresten und vor allem der reiche Münzenfund von 1894 lassen auch an diesem Ort römische Entstehung auf den Mauern eines Gutshofes stark vermuten.
Westlich von Welschneureut wurde bei Rodungsarbeiten im Wald 1886 eine spätrömische emaillierte Rundscheibenfibel der Erde entnommen.
Bautrümmer römischer Herkunft sind auch in Söllingen nachgewiesen, wo übrigens auch das am Chorturm der Kirche unter der östlichen Schallöffnung eingemauerte Fragment eines römischen Reliefs des Herkules, fast in Lebensgröße, herabgrüßt. Man schrieb im Mittelalter diesen steinernen Göttern und Halbgöttern teuflische Kräfte zu und mauerte sie deshalb in die Außenwände der Kirchen ein, um sie zu bannen.
Dass auch das alte Staffort auf römischen Ursprung zurückgeht, beweisen vier daselbst gefundene Teller aus Terra sigillata (Sigillaten) >>> .
Nicht übergangen seien des weiteren jenes Steindenkmal aus Sulzbach im Amt Ettlingen, das uns die Gottheiten Dispater und Aerecura, italische Totengötter, zeigt, sowie die schlanken, in Haltung und Bewegung auffallend gut ausgewogenen Gestalten aus dem Viergötterstein von Schöllbronn. Römische Fragmentreste entdeckte der bereits genannte Ingenieur Bonnet bei der Oberen Mühle in Weingarten, auch bei der Ruine der Tiefburg Schmalenstein, desgleichen im so genannten „Brettener Grund“. Eine spätrömische Bronzefibel mit Emaileinlage fand sich in der Flur „Heidengasse“. Spuren römischen Mauerwerks endlich liegen auch zwischen den „Schlossäckern“ und den „Schelmenwiesen“ zu Wöschbach.
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Montag, 6. Juli 2009
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