
... und denkt sich vielleicht: „Oha, was mag das für eine Stadt sein?“
Es ist Karlsruhe, die Stadt mit ihrem fächerartigen Straßenmuster, ein etwas groß geratenes Dorf, einklemmt zwischen den Ausläufern des Nordschwarzwalds und den Nordvogesen. Punkt. Als „gebürtiger" Karlsruher, der nach vielen Irrungen und Wirrungen, nach vielfältigen geografischen Ausrutschern immer wieder reumütig in seine Heimatstadt zurückgekehrt war (und nun hier wohl auch bleibt), habe ich im Laufe meines nunmehr 52-jährigen Lebens viele Gesichter Karlsruhes erlebt. Vielleicht ist es das generelle Problem einer „jungen“ Stadt, immer wieder das eigene Ich hinterfragen zu müssen, Bilder zu schaffen, die manchmal kaum etwas mit der Stadt und seinen Menschen zu tun haben. Doch gestehen wir Fehler zu, denn allzu oft hat die Geschichte gezeigt, dass ein andauerndes Suchen letztendlich doch zu einem Konsens zwischen einer Stadt und den Menschen, die in ihr leben, führen kann. Karlsruhe ist für diese Binsenweisheiten ein Beispiel, vielleicht nicht charakteristisch, aber die Stadt am Rhein und ihre Menschen haben schon oft bewiesen, dass sie auf dem Boden bleiben und manchen im Rathaus geborenen Visionen mit badisch-ironischer Skepsis begegnen können. Ich lade Sie ein, mich auf meiner Spurensuche zu begleiten, in eine Reise durch die Stadt und durch die Zeit. Und verzeihen Sie mir schon jetzt den einen oder anderen Blick durch die rosa Brille, die ich mir gelegentlich auf uns auf unserem Weg in die Vergangenheit aufsetzen werde. Unsere Reise beginnt da, wo man das Epizentrum dieser Stadt vermuten kann, am Marktplatz. Sich in Karlsruhe verirren, irgendwie fragen zu müssen „Können Sie mir bitte sagen, wo…“, erscheint so unvorstellbar wie ein Sechser im Lotto. Wer am Marktplatz einem der gelben, mit bunter Werbung betupften Straßenbahnwaggons entsteigt, findet sich gewissermaßen im Zentrum der fächerartig verlaufenden Straßen der Karlsruher Innenstadt wieder. Eingekeilt zwischen Rathaus, Polizeipräsidium und Stadtkirche (Weinbrenner lässt grüßen) breitet sich der Marktplatz aus. Nach einem umgreifenden Blick erkennen wir, dass der Marktplatz 3 (!) Banken beherbergt, steht irritiert vor jenem spitz zulaufenden Gebilde und fragen uns „Ägypten, oder was?“ Eine Pyramide im Mittelpunkt dieser Stadt mit dem etwas seltsamen Namen, der auf den Gründer verweist? Nomen est omen erkennt der Betrachter schnell, nach etwas intensiverem Studium der durch die Pyramide durchaus bereitwillig dargebotenen Erläuterungen, die vor scheinbar ewigen Zeiten in das Rotbraun des geschliffenen Buntsandsteins eingraviert wurden. Und versteht, warum manch Norddeutscher die geografische Lage Karlsruhes als Vorort von Köln definiert, erkennt den kausalen Zusammenhang mit der Entscheidung, nach dem Ende jenes unseligen 1000-jährigen Reiches nicht Karlsruhe sondern Stuttgart als Landeshauptstadt zu bestimmen. Nach einem Rundgang um die Pyramide, vorbei an den beiden Abgängen der ehemals „öffentlichen Bedürfnisanstalt“, die schon in wilhelminischer Zeit den kleinen und großen Karlsruhern eine gewisse Erleichterung verschafft hatten, ahnen wir schon eine sympathische Behäbigkeit, mit der in Karlsruhe Vieles geht (Einiges leider auch nicht). Unser Blick schweift in Richtung Schloss, nimmt den braunen Schilderwald wahr, mit dem sich Karlsruhe als Stadt des Rechts darstellt, und fragt sich, ob diese doch an und für sich freundlich wirkende Stadt mit ihrem beinahe dörflichen Charakter dies wirklich nötig hat. Marktplatz mit Pyramide und Rathaus Aber nun wollen wir uns endlich dieser Stadt nähern, ein Bild dieser Stadt und ihrer Menschen schaffen. In welche Richtung sollen die Schritte gelenkt werden? Da bietet sich der Norden an mit dem bereits genannten Schilderwald, dahinter liegend das Schloss mit dem für Karlsruhe typischen Grün, die ehemalige markgräfliche Residenz, die nun das Badische Landesmuseum beherbergt. Eine Drehung um 180 Grad und der Blick verhakt sich wie selbstverständlich an dem im Zentrum des Rondellplatzes platzierten Obelisken, der mit seinen beiden Greifen wie ein Wächter den Zugang zum Marktplatz kontrolliert. Oder einfach mal die in Ost-West- Richtung verlaufende Kaiserstraße rauf- und runterflanieren, vorbei an den unzähligen Geschäften, aber auch an den „Ruinen“, in denen vor nicht allzu langer Zeit noch Handys, 1-Euro-Ramsch oder unbezahlbare Klamotten verkauft wurden? Nein, dann sich doch besser Bodenständigen zuwenden, den Wurzeln, aus denen diese Stadt im 18. Jahrhundert entsprungen war: „Dörfle“.Das „Dörfle“, die eigentliche Altstadt Karlsruhes, beginnt (oder endet, je nach Betrachtungsweise) mit der Zähringerstraße, die parallel zur Kaiserstraße den „alten“ Teil Karlsruhes durch- schneidet, diesen verlässt, um sich dann in der Marktplatz zu ergießen. Die ersten Schritte in die Karlsruher Vergangenheit führen zwischen der Dresdner Bank und dem so genannten Weinbrennerhaus hindurch.Friedrich Weinbrenner, Architekt und klassizistischer Baumeister hat Karlsruhe mit seinen irgendwie an Schinkel erinnernden Bauten geprägt wie kaum ein anderer Mensch. Alte Kanzlei, Karlsruher Hoftheater, Ständehaus, die Karlsruher Stadttore, und andere mehr oder minder klassizistische Bauwerke hat der Badische Baudirektor geschaffen (einige nur noch in der Erinnerung existent), mit denen er Karlsruhe einen Stempel aufgedrückt, der eine Nähe zu Italien erahnen lässt, und dem Besucher, gerade in den oft schwül drückenden Sommermonaten, eine Aura von südländischer Gelassenheit vorgaukelt, die sich träge über die Gassen und Straßen legt.Aber zurück zum „Dörfle“. Wir lenken unsere Schritte in die Zähringerstraße , die uns einige Zeit auf unserem Weg ins „Dörfle“ begleiten wird. Diese Straße wurde benannt nach dem Adelsgeschlecht der Zähringer, das1057 in dem Grafen Berthold I. von Zähringen seinen Ursprung und nach langen Hin und Her, Kreuz und Quer, schließlich ein Ende fand in den badischen Markgrafen, zu den auch der Gründer Karlsruhes zählt, der etwas seltsame Karl Wilhelm von Baden-Durlach. Nach wenigen Meter öffnet sich nach links ein kleiner Platz.An sonnengeschwängerten Tagen fordern hölzerne Bänke und Tische zu einer Rast auf, symmetrisch auf dem Kopfsteinpflaster ange- ordnet, teilweise vom Blattwerk der einzelne Bäume (und Bäumchen) beschattet. Schnell vergisst man die vor und hinter einem vorbeihastenden Menschen, überhört die Geräuschwolke, die sich von der Kaiserstraße links und rechts an der Kleinen Kirche vorbeidrückt, die den Platz zusammen mit der ehemaligen „Spanischen Weinhalle“ und dem Schul- und Sportamt abgrenzt und dabei ein eckiges U bildet.Obwohl eigentlich nichts dagegen spräche, sich auf einer der Bänke niederzulassen, um vergleichsweise schnell von einer der jungen Frauen entdeckt zu werden, die – kaum hat man Rucksack, Einkaufstüte oder ähnliche Begleiter mehr oder weniger dekorativ auf Bank und Tisch platziert – geschäftstüchtig herbeirauschen, um die Bestellung eines kühlen Biers oder einer deftigen Portion Schinkennudeln aufzunehmen. Eigentlich spräche wirklich nichts dagegen, aber andererseits wollen wir ja irgendwann unser Ziel erreichen.Also geht es weiter, vorbei an den Symbolen des Sanierungsrausches der 70er Jahre, mit Graffiti verziert, einerseits nicht ganz richtig, daneben auch irgendwie künstlerisch. Wir legen einen Schritt zu, ignorieren auch die quer verlaufende Adlerstraße und stehen plötzlich vor einem der vielen Zankäpfel in Karlsruhe: Kronenplatz. Eigentlich als kulturelles Zentrum mit vielen Bäumen geplant, breitet sich der Platz etwas blass neben der „Rialto-Brücke“ aus, das Grün ziemlich minimalistisch an den Rand gedrängt, und der kulturelle Austausch reduziert sich oft auf das JUBEZ. In dem dann Kultur allerdings wirklich groß geschrieben wird, und meistens begegnen wir einigen Jugendlichen, die in den 60er Jahren als Gammler bezeichnet worden wären, heute aber so zwischen Punker und Penner eingestuft werden.Ein nettes Volk, seltsam anzuschauen, aber neben den Obst- und Gemüseständen der einzige Farbklecks auf diesem eher grau gehaltenen Platz. Bevor wir aber in tiefer Frustration versinken, das eine oder andere Schmankerl bietet der Platz dann doch noch. Er bietet etwas für Architekturinteressierte, für Bücherwürmer gibt es das „Antiquariat am Kronenplatz“ und die wohl kleinste Pizzeria Karlsruhes direkt auf der Rialto-Brücke.Begleiten Sie mich nun über die Rialto-Brücke. Ein eher unscheinbares Bauwerk ist sie, die Urheber hatten sich wohl mehr an der Zweckmäßigkeit orientiert als an architektonischer Schönheit. Und doch liegt am Ende der Brücke ein kleines kulinarisches Schmankerl. Schüchtern, im Schatten der Brücke und der angrenzenden Gebäude liegend, finden wir nach einem Blick nach links über das Brückengeländer die Metzgerei Nägele. Es verwundert ein wenig, dass beim Öffnen keine Ladenglocke ertönt, eigentlich hätte man dies erwartet. Die Vergangenheit grüßt: Herrlich duftende Würste preisen sich da an, an Fleischerhaken hängend, heben sich mit Rot- und Brauntönen von den weißen Fliesen ab, die sich symmetrischer Harmonie auf den Wänden verteilen. Hier wäre nun die ideale Gelegenheit, um sich für den weiteren Marsch ins „Dörfle“ zu stärken. Natürlich könnte man sich ein Brötchen mit ein paar Scheiben Salami oder Schinkenwurst belegen lassen. Aber besser ist es, Nägeles „Spezialität“ zu probieren, das Brötchen mit dampfendem Fleischkäse belegen lassen (der Karlsruher sagt dazu „Floischkäsweck“).Nachdem wir, mit Floischkäsweck-Tüten bewaffnet, den Laden verlassen haben (und wieder hat es nicht geklingelt) und einige Schritte gegangen sind, das „Dörfle“. An dieser Stelle überlasse ich Sie für einige Zeit Ihrem Schicksal, um einen alten Bekannten zu besuchen. Gehen Sie ruhig weiter, tauchen Sie schon einmal ein in den Teil der Zähringerstraße, der mit seinen teilweise schönen alten Häusern und den kleinen abgehenden Straßen das Quartier der Rotlichtszene gewesen war. Schon bald stoßen Sie auf einen kleinen Platz, dessen hervorstechendstes Merkmal die mächtigen Kastanien sind, die dem Platz einen, vor allem im Sommer wohltuenden Schatten spenden. Setzen Sie sich auf eine der Bänke, die unter den Kastanien zu einer Pause einladen. Ich selbst betrete zwischenzeitlich den kleinen Laden an der Ecke Waldhornstraße. Bernhard, den ich nun schon seit weit über 40 Jahre kenne, ist in die Fußstapfen seiner Eltern getreten, und betreibt hier einen kleinen Laden, in dem Zeitungen, Zeitschriften, Comics und allerlei mehr oder weniger Nützliches zu kaufen gibt. Gerade an trüben, meist auch regnerischen Tagen entstehen dann wie aus dem Nichts jene „Weißt-du-noch“-Gespräche, wie sie so typisch sind für Menschen, die ein bestimmtes Alter überschritten haben. In Gedanken sehen wir dann zwei Knirpse, wie sie nach dem Unterricht in den Laden von Bernhards Mutter stürzen, im Hinterzimmer verschwinden, in den Ohren noch die Ermahnung, die Hausaufgaben nicht zu vergessen. Und dann sitzen sie da, an dem ausgedienten Küchentisch mit seiner abgewetzten Resopalplatte. Schweigsam sind sie und tief versunken, aber nicht in ihre Hausaufgaben. In diesen Stunden leben die beiden Freunde in ihrer Traumwelt, die bevölkert wird von Falk, Sigurd, Tarzan und wie die Helden in den bunt bebilderten Heftchen noch heißen mögen. Jahrzehnte später sitzen sie wieder zusammen, erinnern sich und wissen, dass dies alles der Vergangenheit angehört. Und das ist gut so. Dann noch ein „Ade, Bernhard.“ und ein „Ade, Hans“, und jeder geht wieder in seine eigene Welt. Schön wäre es, wenn dies tatsächlich passiert wäre, ich Bernhard nie aus den Augen verloren hätte. Seine Stetigkeit und meine jugendliche Umtriebigkeit haben dies leider verhindert. Aber, wer weiß?Ich hoffe, Sie haben sich nicht gelangweilt, haben die Zeit genutzt, sich ein bisschen umzuschauen und dabei den Rest Ihres „Floischkäswecks“ seiner endgültigen Bestimmung zukommen zu lassen. Hier am Fasanenplatz sind wir also im Zentrum der so genannten „Rue de la Quack-Quack“, wie dieser Teil des „Dörfle“ früher einmal genannt worden war. Es war das Revier der „Damen des horizontalen Gewerbes“, die in ihren Röckchen, mehr ein breiter Gürtel, in meinen Kinder- und Jugendtagen nicht nur den Erwachsenen zu einem erhöhten Pulsschlag verhalfen. Sie waren damals so etwas wie das kulturelle Zentrum des „Dörfle“: Tratschbörse, Schutzengel bei allzu eifrigen „Knöllchenschreiberinnen“, Plattform verbaler und nonverbaler Aggression, leider oft auch der Sack, auf den man schlägt, wenn einer der Zuhälter zu viel Alkoholisches intus hatte oder ihm einfach der Gaul durchging. Ich weiß, wovon ich schreibe, schließlich habe ich einige Zeit (leider viel kurz) hier mein Leben verbracht. Mit ihrem (Beinahe-) Verschwinden und der Sanierungs wut der Stadtoberen in den 70er- und 80er-Jahren hat das „Dörfle“ einiges an Flair verloren.Der Lebenssituation, die an manchen Stellen irgendwie an ein Ghetto erinnerte, und der Armut der Menschen zum Trotz hatte sich hier über einen langen Zeitraum hinweg ein soziales Miteinander entwickelt, in dem es halt „menschelte“. Nach dem sozialen Umbruch, den die Sanierung der Altstadt hinter sich her zog, wurde die bereits erwähnten Damen in eine kleine abgeschlossene Nische, der heutigen Brunnenstraße, umgesiedelt, den Menschen, die noch wirklich „gschwätzt habe“, waren die Mieten zu hoch geworden und mit diesen erlebte ich eine etwas andere Form der „Zwangsumsiedlung“, geblieben waren in bestimmten Reservaten die Studenten. Die „Neudörfler“, überwiegend Architekten, Rechtsanwälte, halt „Gschdudierte“, konnten diese Gegend nicht prägen (was ich persönlich als Vorteil betrachte), sodass sich hier ein kaum beachtetes harmonisches Vakuum entwickeln konnte, mit idyllischen Gassen, in denen spielende Kinder genau so eine Heimat gefunden haben wie die Besucher der Kneipen mit ihren reizvollen Biergärten, die meist in den Hinterhöfen zu finden sind. Aber auch Kultur und Bildung haben sich nicht lumpen lassen: Das Kindertagesheim St. Angela, das Studentenzentrum „Z10“, kleine Galerien und das Künstlerhaus vervollständigen das ruhige und bunte Bild des neuen „Dörfle“.Zurück zum Fasanenplatz, von dem aus wir unsere Spurensuche im „Dörfle“ fortsetzen wollen. Im Schatten der Kastanien stehend, eine der letzten „Donecker“-Säulen im Rücken, sehen wir das „Gitanes“ mit seinem Straßencafé, aber vor allem das „Café Wien“, das allerdings alles Andere ist als ein Café. Es ist zwar nicht mehr der Ort, an dem ich irgendwann in den 70ern Wolfgang Niedecken und seine Gruppe BAP nach einem Konzert in der Schwarzwaldhalle „privat“ und bierselig erleben durfte. Aber immer noch wird das „Café Wien“ von einem bunten Völkchen frequentiert. Ein letzter Blick über den Platz, dann gehen wir die Zähringerstraße weiter, das Ende ist schon in Sicht, vorbei am Studentenzentrum „Z10“, und stoßen auf eine quer verlaufende Straße, die früher einmal Brunnenstraße hieß. Heute gilt dieser Name nur noch für das nach links abzweigende Rudiment, der nach rechts verlaufende Straßenteil heißt jetzt "Am Künstlerhaus".In diese Straße lenken wir jetzt unsere Schritte, passieren das „Künstlerhaus“, das der Straße seinen neuen Namen gegeben hat, und gelangen zur Gaststätte „Zum Pfannenstiel“. Bevor wir nun den schmalen Durchgang betreten, der uns dem Ziel näher bringt, gönnen Sie mir und meinen Erinnerungen etwas Zeit.Hier habe ich gewohnt, gemeinsamen mit meinem Freund „Bimbes“. Ich sehe noch deutlich das alte baufällige Fachwerkhaus mit dem riesigen Eingangstor, davor unser knallgrüner Fiat Jagst, sorgsam beschützt vor „Knöllchenjägerinnen“ durch leicht bekleidete Frauen, die während ihrer Arbeit immer noch die Zeit fanden, umherschweifende Uniformträgerinnen davon zu überzeugen, dass die Kunden, denen dieses froschgrüne Auto gehört, gleich wieder da sein werden. Ich verzeihe ihnen, dass sie „Bimbes“ und mich in diese Schublade einsortiert hatten, haben sie uns doch vor einer Strafzettelflut bewahrt, aber auch, weil sie mit manchem Schwätzchen unser Leben so überaus bereichert hatten. Wir teilten das Haus mit zwei Hunden, drei Hühnern und einigen sehr lieben Menschen, und wenn jemand damals so etwas wie Abenteuer in der Stadt gesucht hätte, so wäre er in diesem kleinen Haus in Brunnenstraße mit seinem Kopfsteinpflaster bewehrten Hinterhof sicher fündig geworden. Die Menschen und Tiere dieses Hauses, mit denen Zusammenleben ein stetiger Wechsel aus Hochs und Tiefs gewesen war, haben sich in der Weltgeschichte verlaufen, das Haus wurde abgerissen, und trotzdem denke ich gerne an die Zeit zurück.Aber nun lassen Sie uns zum Endspurt ansetzen, nur noch wenige Meter trennen uns vom Ziel der heutigen Spurensuche. Folgen Sie mir durch den düsteren Gang, an dessen Ende der Biergarten des „Pfannenstiel“ liegt, lediglich kleines Intermezzo auf dem Weg zu dem direkt dahinter liegenden Biergarten, der zum „Vogel“ gehört.Mischen wir uns unter das Volk, das hier die Bierbänke und –tische besetzt hält. An Samstagen herrscht hier meist die Farbe Blau vor, dann nämlich, wenn eines der Spiele des KSC auf überdimensionalen Bildschirmen oder Leinwänden übertragen wird. Hocken wir uns ruhig zu einer Gruppe der Blau-Weißen und hören ihren sportlichen Fachsimpeleien zu. Die erste Bestellung überlasse ich Ihnen, doch sollten Sie keinesfalls ein Bier bestellen. Dies würde zwangsläufig dazu führen, dass Sie eine der jungen, attraktiven und vor allem freundlichen Frauen, die für das überwiegend flüssige leib-liche Wohl sorgen, mit sorgevollem und fragendem Blick taxiert, in die Kategorie „Touri“ einstuft, und in überbetontem Hochdeutsch nach der Art des Bieres fragt, das Sie trinken möchten. Bestellen Sie, nach einem kurzen Blick auf eine, der mit weißer Kreide beschrifteten Tafeln ein Pils (das es hier übrigens nicht in den sonst üblichen „Tulpen“ gibt), ein Märzen, ein Hefe oder was der Chef Rudi Vogel sonst noch an leckeren Hefesäften gebraut hat.Und dann, wenn Sie genug von mir und meinem Geschwätz haben, partout „weiter“ wollen, verlassen Sie den Biergarten zur anderen Seite hin, treten auf die Kapellenstraße, schauen nach links und erblicken dort den Turm der Bernharduskirche. Gewissermaßen zu Füßen der Kirche von St. Bernhard liegt Ihr Ziel, von dem aus Sie wieder zurück zum Marktplatz kommen, die S-Bahnhaltestelle Durlacher Tor.Vielleicht sitze ich dann immer noch auf der Bank, die ich kurzer Zeit mit Ihnen geteilt hatte, vor mir ein frisches Pils, denke über Sie und all das Gesagte nach, was ich vielleicht besser nicht oder anders gesagt hätte, und hoffe, dass Sie mich bald wieder auf einer meiner Spurensuchen begleiten werden.
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